In der kleinen Stadt
Monreal im Elzbachtal muss man einfach mögen. So romantisch verwinkelt sind die wenigen Gassen unter den Ruinen gleich zweier Burgen. Drei steinerne Brücken queren den Bach im inneren, Denkmal geschützten Ortsring. Doch der natürliche Platzmangel für die meist gut 200 Jahre alte Bebauung hat nicht nur seine pittoresken Seiten.
„Ziel wäre 1000!“ André Übener, seit knapp zehn Monaten Bürgermeister von Monreal, steht vor dem schmucken Vier-Giebel-Haus von 1452/53, wo er sein Büro hat und auch Monreals Standesamt untergebracht ist. Ja, die Hochzeit im spätmittelalterlichen Bau, den die Gemeinde in den 1990er Jahren gekauft hat, und mit einem aufwändigen Stahlträgerkorsett über alle vier Stockwerke von innen stabilisiert hat, ist sehr beliebt. Auch über Monreals enge Grenzen hinaus.
Würden alle hier frisch getrauten Paare dann auch in Monreal wohnen und eine Familie gründen – dann würde ja vielleicht irgendwann einmal was mit der 1000: 1000 Einwohner.
Leider ist das für den Ortsbürgermeister auch deshalb derzeit ein Traum, weil es selbst auf den Höhengebieten, die zur Gemeinde gehören, nicht ausreichend Neubaugebiete gibt. So sind es aktuell 763 Einwohner, 886 waren es 1987, der Spitzenwert. Doch 1000 waren es noch nie.
Dabei hätte Monreal ja viel Zeit zum Erreichen dieser Marke gehabt. Schon 1306 hat der Ort die Stadtrechte verliehen bekommen. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die damals noch „Cunisberch“ (Königsberg) genannte kleine Siedlung 1193. Archäologen entdeckten aber sogar keltische Siedlungsspuren am Elzbachufer als älteste Vorläufer.
Den Grafen von Virneburg verdankt das Städtchen dann den Namen. Ganz der Mode der Zeit entsprechend wurde aus „Königsberg“ erst Mons Regalis, dann Monreal. Ähnliche Wortschöpfungen gibt es etwa an der Mittelmosel mit dem Mont Royal und, abgeleitet, bei der Burg Pyrmont am Unterlauf des Elzbaches.
Den Grafen von Virneburg, die Anfang des 13. Jahrhunderts in Monreal mit dem Bau erst der Phillipsburg – heute ist nur der Burgfried erhalten – als Adels- oder Landsitz, dann der größeren „Löwenburg“ durch Hermann von Virneburg Präsenz zeigten, ging es vor allem darum ihren Machtbereich zu vergrößern. „An ihrem Stammsitz waren sie weit von den Wirtschaftszentren des Maifelds und der Pellenz mit ihren Vulkansteinvorkommen entfernt“, so Jörg Geisbüsch. Der Monrealer ist Gästeführer und bietet verschiedene Runden durchs malerische Kleinstädtchen und drum herum an.
Das Städtchen soll kein Museumsdorf werden.
Er und Bürgermeister Übener stehen gerade am Marktplatz vor dem Vier-Giebel-Haus, die „Löwenbrücke“, die mittlere der drei Bachquerungen, ist wenige Meter entfernt. Der Blick geht hoch entlang der weiß verputzten Gefache und der ochsenblutrot gestrichenen Balken der Fachwerkfassaden zur Löwenburgruine im Berghang, der wiederum von den Gleisen der Lahn-Eifel-Strecke untertunnelt wird. Von der Burg aus ist Monreal eine Modellbahnlandschaft.
Hier unten auf der „Löwenbrücke“ mit der Nepomuk-Figur und dem hohen Kruzifix neben den vier spätmittelalterlichen Löwen, die einst vor der Burg von Hermann von Virneburg als Abschreckung gestanden haben, geht es jetzt nicht nur ums „Museumsdorf Monreal“, sondern auch um dessen Zukunft und den Erhalt der wertvollen alten Bausubstanz.
Aus dem 14., dem 15., dem 16. Jahrhundert sind immerhin noch drei Häuser erhalten. Der Rest der Bebauung im inneren Denkmalschutzring stammt aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Das hat Gründe. „1632 kamen die Schweden und verwüsteten Monreal im 30-Jährigen Krieg. Stadt und Burgen waren gerade wieder hergerichtet, da brandschatzten die Truppen Ludwig XIV. im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 die Stadt erneut“, so Jörg Geisbüsch. Einer Legende nach soll ein Übersetzungsfehler für die zweite Zerstörung am Ende dieses Feldzuges verantwortlich sein. Gemeint gewesen sei eigentlich Münstereifel.
Monreal wurde erneut wiederaufgebaut. Erst danach kamen die Zeitläufte zur Ruhe, in Monreal entwickelte sich durch die aufkommende Tuch- und Leinenherstellung aus der Wolle der großen Schafherden, die auch die Wiesen und Hänge rund um den Ort beweideten, ein bescheidener Wohlstand. Die erhaltenen Fachwerk- und Bruchsteinhäuser sind Zeugen dafür, dass in Monreal einst die Hälfte der Bevölkerung mit der Verarbeitung von Wolle und Stoffen beschäftigt war. Erst mit der beginnenden Industrialisierung war das Zeitalter dieser Manufakturen beendet. Einen der historischen Webstühle kann man in einem Museumsraum im Untertor besichtigen (geöffnet jeden 1. Sonntag des Monats).
Seit den 1930er Jahren wurde Monreal neu entdeckt, seine Romantik begeistert seitdem die Touristen, die hier ein Stück heile Welt besichtigen wollen. Später seien es vor allem wohlhabende Bonner gewesen, die hier ihre Ferienwohnung fanden, weshalb der Ort zeitweise den Spitznamen „Bonnreal“ hatte.
Heute sind die Einnahmen aus dem Tourismus für immerhin sechs Gastronomen im Ort und einen Hotelier relevant. Um einen Stellenwert für den ganzen Ort zu haben, „dafür sind wir aber einfach zu klein“, relativiert Bürgermeister Übener. Immerhin gibt es mit dem „Café Plüsch“ und der Gaststätte „Stellwerk“ am Monrealer Bahnhof – etwas außerhalb des Ortes -, wo auch Kleinkunstveranstaltungen stattfinden, bekannte Adressen.
Monreal mit den altverbrieften Stadtrechten, auch wenn sie von den französischen Truppen im 17. Jahrhundert aberkannt und der Ort verwaltungstechnisch der „Mairie Mayen“ zugeordnet wurde, hat aber noch mehr an Infrastruktur, die den Ort von Dörfern gleicher Größe deutlich unterscheidet: Es gibt zwei Tischler, einen Dachdecker, einen Gas-Wasserinstallateur, einen Bäcker, einen Töpfer, sogar eine Buchhandlung mit Kunstgalerie. Die kleinen Monrealer können einen Kindergarten und eine Grundschule besuchen. Es gibt traditionell ein reges Vereinsleben mit derzeit zehn Vereinen, dazu eine Feuerwehr. Nur Arbeitsplätze finden die Meisten dann doch außerhalb: „Sie müssen pendeln, sogar bis nach Frankfurt“, so André Übener.
Zurück ins Ortszentrum wo die Gemeinde die markantesten Gebäude schon 2003/04 mit erläuternden Hinweistafeln gekennzeichnet hat. So wird die kleine Runde zum Geschichtspfad. Etwa den Marktplatz entlang zum „Malerwinkel“: Von der unteren der drei Brücken ist die Perspektive hoch bis zur Pfarrkirche einfach besonders schön.
Jenseits der Löwenbrücke mit dem großen Kruzifix neben den „Löwen“ Vis-a-vis der Nepomukstatue geht es zur ursprünglich spätmittelalterlichen, heute weitgehend neogotischen Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit. Im Innern ist die Ausstattung zum Teil noch original. An der nördlichen Chorwand ist das mit Baldachinen, Fialen und krabbenbesetzten Maßwerkbögen verzierte gotische Sakramentshaus von 1460/1464. Die Skulpturen der zwölf Aostel Zelebrationsaltar stammen von dem 1482 gestifteten Apostelaltar.
Anfang der 2000er Jahre wurde Monreals altes Zentrum mehrfach gezeichnet und in der Folge bundesweit bekannt: 2003 errang man den Landessieg Rheinland-Pfalz im damals noch ausgeschriebenen Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. 2004 folgte der Bundessieg.
Ab 2009 bis 2016 wurden bisher sechs Folgen des Eifelkrimis „Der Bulle und das Landei“ mit Uwe Ochsenknecht und Diana Amft in den Hauptrollen in und um Monreal gedreht. Was in den Krimis eher schmückendes Beiwerk ist, ist für die Monrealer selbst allerdings eher einer der tatasächlichen „Hauptakteure“ ihres Ortes: der Elzbach. An ihn war das Schicksal des historischen Kerns in den Jahrhunderten immer wieder geknüpft. Etwa 1598, als bei einem Unwetter die Fluten des Baches den halben Ort unter Wasser setzten, so Gästeführer Jörg Geisbüsch. 2013 stand das Hochwasser „nur eine Hand breit“ unter der Unterkante der drei Elzbachbrücken. Ein Jahr zuvor, 2012, war der Bach zuletzt komplett zugefroren.
Dass das Fließgewässer im hier engen Taldurchmesser Gefahren birgt, hatten schon die Erbauer der drei mittelalterlichen Brücken gewusst und die Bauwerke mit massiven Eisbrechern versehen, die noch erhalten sind. Heute schützt Monreal auch der Hochwasserplan der Verbandsgemeinde Vordereifel, zu der Monreal gehört. „Die Wehre am Oberlauf des Elzbachs wurden umgebaut, an den Zuläufen zum Bach wurden Hochwasserrückhaltebecken gebaut“, so Bürgermeister Übener.
Er ist froh, dass der Erhalt des alten Monreals auch durch die in den 1980er Jahren erlassene Gestaltungs- und Erhaltungssatzung geschützt wird. Die Auflagen entsprechen denen des Denkmalschutzes und sind so scharf gehalten, dass der Verbandsgemeinderat sie jetzt etwas lockern will: Zur Schauseite können dann die Sprossenfenster auch aus Kunststoff sein - wenn er den eigentlich Vorgesehenen aus Holz optisch ähnelt. So will die Gemeinde Hausbesitzern die Renovierung der Gebäude erleichtern. Viele Häuser im Zentrum werden mittlerweile als Ferienwohnungen vermietet. Die schöne Kulisse beschert dem Ort zuverlässig in den Sommermonaten eine kleine Sonderkonjunktur.
Das zeigte sich 2011: Da wurde der „Traumpfad Monrealer Ritterschlag“ rund ums Kleinstädtchen zu „Deutschlands schönstem Wanderweg“ gekürt. In der Folge „wurden wir hier regelrecht überrannt, das hatten wir Monrealer so auch noch nicht erlebt“, erinnert sich Gästeführer Jörg Geisbüsch. Seitdem ist Monreal an Sommerwochenenden durchaus trubelig und bunt. Unter der Woche aber ist es hier am Elzbach wie es immer war: Nicht mehr Dorf, fast eine ganz kleine Stadt - aber immer schön. (sli)
Tags: Eifel hautnah