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„Einem gesunden Uhu geht keiner an die Federn!“

bruecher 1 headerMehr als 8000 Junguhus hat Stefan Brücher aus Bad Münstereifel in den letzten 40 Jahren beringt und vermessen. Foto: Sonia Weinberger PhotografieStefan Brücher aus Bad Münstereifel ist der „Eulenmann“ der Eifel. Seit mehr als 40 Jahren kümmert er sich vor allem um die größte Eulenart, den Uhu. Unterhalb eines aufgelassenen Steinbruchs in der Vulkaneifel hat Brücher seinen Allrad-Range-Rover geparkt. Jetzt stapft er gemächlich bergan, das Stativ mit Fernrohr geschultert, den Feldstecher umgehängt. Nach rund zehn Minuten führt der Weg an dem eingezäunten Gelände vorbei. Gut 50 Meter von der Abbruchwand entfernt baut Brücher sein Stativ auf, wirft einen Blick durchs Fernglas.  Kurze Zeit später sagt er leise: „Da am Felsen, schauen sie selbst, Format füllend.“ Zurück am Parkplatz erklärt er seine Faszination für die größte Eulenart und warum er zum „Eulenmann“ der Eifel geworden ist.

Guten Tag Herr Brücher, was fasziniert Sie so an Eulen und an Uhus?
Brücher: Dem Vogelschutz bin ich schon als Kind verfallen, das mit den Uhus war Zufall oder eher eine für beide Seiten glückliche Fügung. Es hätten auch Wanderfalken, Schwarzstörche oder Sperlingskäuze sein können. Als ich 16 war baten die Uhuschützer um Hilfe und dann nahm die Verbindung ihren Lauf.
Was macht für Sie Uhus so besonders im Unterschied zu anderen Eulenarten?
Brücher: Uhus sind die größten Eulen und waren hierzulande durch den Menschen ausgerottet worden. Andere Arten litten und leiden zwar unter dem Schwund ihrer Lebensräume – zum Beispiel besonders der Steinkauz - waren jedoch nie ganz verschwunden. Alleine schon durch ihre Größe sind Uhus imposante Vögel. Sie stehen an der Spitze der Nahrungskette und als Opportunisten können sie in verschiedensten Lebensräumen zurechtkommen.

bruecher 6Nur mit dem Fernrohr ist das gut getarnte Uhuweibchen in der Steinbruchwand gegenüber zu erkennen. Und wie geht es den Uhus in der Eifel?
Brücher: Es gab in der Eifel 1980, als ich anfing, nur noch wenige einzelne Brutpaare. Heute sind es 170. Ein Riesenerfolg! Uhus sind streng geschützt.
Finden Uhus genügend Brutplätze?
Brücher: Steinbrüche, Naturfelsen, Burgruinen, Greifvogelnester oder zur Not einfach auf dem Waldboden Uhus sind da sehr erfinderisch.
Wo in der Eifel sind sie besonders verbreitet?
Brücher: In den felsigen Flusstälern Rhein, Ahr, Mosel, Rur und in den Steinbruchgebieten der Vulkaneifel.
Und „Uhu“ machen Weibchen wie Männchen – eines der Beispiele, in denen der Ruf eines Vogels seine Bezeichnung geworden ist, ähnlich dem Kuckuck?
Brücher: Beide rufen „Uhu“, sie höher, er tiefer. Das Weibchen ist meist größer und die Stimme ist höher. Uhus werden bis zu 65 Zentimeter groß und haben eine Flügelspannweite von bis zu 1,70 Metern. Die Geschlechter sind in der Natur meist nicht sicher auseinander zu halten.
Wie alt werden eigentlich Uhus?
Brücher: Ich kannte einen der - im Gehege - 32 wurde. Angeblich soll ein anderer Gehegeuhu 52 geworden sein. Der älteste in freier Wildbahn wurde uns 24-jährig gemeldet.

Wie viele Uhupaare haben in diesem Frühjahr 2022 gebrütet?
Brücher: Rund ein Viertel leider nicht. Das gibt es immer mal wieder, solche Jahre. Warum das so ist – wir wissen es nicht. Ab Mitte Februar beginne ich mit der Kontrolle der Brutplätze. Ziel ist zu dokumentieren ob und wieviel Nachwuchs es gibt und wenn möglich die Uhuküken im Alter von circa vier Wochen mit Ringen der Vogelwarten zu markieren. Dies geschieht dann bis in den Juni hinein. Nach dieser Hauptsaison schauen wir noch nach den circa 80 Schleiereulennistkästen. Aber auch im Rest des Jahres kommt keine Langeweile auf. Berichte schreiben, Behörden und Steinbruchunternehmen kontaktieren, Spendenbescheinigungen und die übrige Bürokratie eines Vereins. Es gibt immer mehr zu erledigen als wir schaffen können.
Und wie viele Uhubrutplätze betreuen Sie in der Eifel?
Brücher: Etwa 200 Brutplätze betreue ich selber, weitere 50 werden zumindest teilweise von anderen Interessierten beobachtet. Im guten „Uhujahr“ 2021 gab es 150 erfolgreiche Bruten, 25 weitere Bruten scheiterten.

bruecher 2Zur Not an der Steilwand abgeseilt um die Junguhus zu beringen: Stefan Brücher an einem Uhunest in einem Steinbruch in der Eifel. Foto: Sonia Weinberger PhotografieUm das alles zu dokumentieren sind Sie durch die ganze Eifel unterwegs…
Brücher: Da kommen gut 10.000 Kilometer zusammen. Nicht Autobahn, sondern meist kreuz und quer…
Wie oft sichten sie jeden Standort?
Brücher: Wenn es bestens läuft zweimal aber das ist selten. Öfters vier und manchmal auch sechsmal. Bis ich ein sicheres Ergebnis habe.
Und wie finden das die Grundstücksbesitzer?
Brücher: Im öffentlich zugänglichen Gelände habe ich keinen oder wenig Kontakt zu den Besitzern. Den Betreibern von Kiesgruben und Steinbrüchen habe ich meinen „Service“ behutsam aber hartnäckig aufgedrängt. Inzwischen wissen sie meine Arbeit meist zu schätzen. Die Behörden fragen bei Genehmigungsverfahren nach den Uhus und die Grubenbetreiber können meine Ergebnisse dann nutzen. Die Zusammenarbeit klappt inzwischen sehr gut, nur die finanzielle Unterstützung ist in manchen Betrieben noch ausbaufähig.  

bruecher 7Gewolle – ausgespienes Unverdautes aus dem Magen - an einem Steinbruch, für Stefan Brücher ein untrügliches Zeichen: „Der Uhu ist hier!“ Gibt es vergleichbare Projekte anderswo in deutschen Mittelgebirgen?
Brücher: Ja, etwa im Weser Bergland und in Baden-Würtemberg werden die Uhubestände großflächig erfasst. Wir kümmern uns jedoch auch noch um Steinkäuze – in den Kreisen Euskirchen und Düren, sowie Teile vom Rhein-Sieg und vom Erftkreis - und um Schleiereulen.

Und wie umgehen mit „Uhu-Tourismus“?
Brücher: Uhus sind ja keine echte Rarität mehr, daher ist die Lage viel besser als von Jahrzehnten. Aber Geo-Cacher, die dem Nest zu nahe kommen, Kletterer in den Buntsandsteinfelsen bei Nideggen, oder Fossiliensammler können zur Bedrohung werden. Eine einzige Störung kann das Aufgeben der Brut bedeuten!
Was sollte man nicht tun, wenn man zufällig auf eine Uhubrutnische trifft?
Brücher: Wenn Mensch einen Uhu von den Eiern oder kleinsten Küken scheucht ist das Unglück schon geschehen. Diese Bruten sind dann zu 95 Prozent verloren. Wenn Sie einen Uhu sehen, ziehen Sie sich vorsichtig zurück ohne den Vogel zu erschrecken.

Haben Uhus eigentlich natürliche Feinde?
Brücher: Einem gesunden erwachsenen Uhu geht hierzulande keiner an die Federn
Was tun gegen Waschbären, die auf Beutesuche an einen Uhubrutplatz kommen?
Brücher: Den invasiven Waschbär werden wir wohl nicht mehr los. Daran kann wohl auch die beachtliche Jagdstrecke nichts ändern. Schon seit circa 2010 gibt es einige Brutpaare in Flusstälern die keine Jungvögel mehr erfolgreich großziehen obwohl sie es jährlich versuchen. Ich sehe keinen Weg dies zu ändern. Die Lebensweise des Kleinbären ist jedoch an waldartige Strukturen gebunden, er wird also eher nicht in großen kahlen Steinbrüchen herumklettern bis er mal ein Uhuei findet. Außerdem greifen Uhus Waschbären auch an und verpassen ihnen einen heftigen Denkzettel. Die Jungenaufzucht gelingt dort nur bei guter Arbeitsteilung. Der Uhumann sorgt für Nahrung, die Frau passt auf die Kinder auf bis diese ausreichend wehrhaft sind.

Sind Stromleitungen und Windkraftanlagen eine Unfallgefahr?
Brücher: Die bundesweite „Schlagopferstatistik“ führt aktuell 21 an Windkraftanlagen getötete Uhus auf. Manchmal kollidieren Uhus mit den Stromleitungen und brechen sich die Knochen. Viel ärger sind jedoch die Strommasten sofern sie nicht vogelsicher umgebaut wurden. Beim an- oder abfliegen können Uhus oder andere große Vögel zugleich mit den Füßen am Mast geerdet sein und mit dem Flügel ein stromführendes Bauteil berühren. Der Stromschlag tötet sie.
Seit Jahren haben Sie deshalb Kontakt zu Stromnetzbetreibern und Kommunalverwaltungen. Mit welchem Ergebnis?
Brücher: Im Kreis Euskirchen hat es neun Jahre gedauert, doch 2023 sollen alle Strommasten im Kreisgebiet ummantelt sein. Ich bin eben hartnäckig.

bruecher 4Stefan Brücher aus Bad Münstereifel ist der „Eulenmann“. Seit mehr als 40 Jahren widmet er sich dem Schutz und dem Monitoring der Uhubestände in der Eifel. Er hat sie maßgeblich aufgebaut. Zudem kümmert er sich um den Schutz von Steinkäuzen und anderen Eulenarten. Uhus in der Eifel sind seit 2008 durch die „Uhu-Webcam“ an der Mittelahr mit Weibchen „Lotte“ und Männchen „Leo“ bekannt geworden. Mehr als neun Millionen Besucher hatte die Webcam bisher. Tausende Fans von „Lotte“, die im Fels bei Reimerzhoven an der Mittelahr brütet, wurden so im Mai des vergangenen Jahres Augenzeugen, wie ein Waschbär unter den beiden Junguhus ein Gemetzel anrichtete als „Lotte“ und „Leo“ gerade abwesend waren.Wie reagierten die „Lotte“-Fans?
Brücher: Viele Lehrer haben „Lotte Live“ zum Unterrichtsthema gemacht. Die Kinder protokollieren das Geschehen aus den gespeicherten Videos der Kamera. Natürlich wurde auch der Waschbär-Überfall thematisiert. Wenn die Lehrer es schaffen den Kindern so zu erklären, dass Natur eben nicht nur süß und schön, sondern auch grausam sein kann – was will man mehr? Eine Schulklasse postete uns ein Klassenfoto. Die Kinder halten ein Transparent in die Kamera: „Lotte 2022 – wird sind dabei!“ Den „Leo“ habe ich als Küken in 20 Kilometer Entfernung beringt. „Lotte“ lebt ohne Ring.
Ihr schönstes Erlebnis mit den beiden?
Brücher: Da vermag ich mich kaum zu entscheiden. Vielleicht als der noch junge „Leo“ versuchte die Eier mit einer Maus zu füttern. Wir sollten es ihm aber nachsehen, schließlich war er noch kein Jahr alt.

bruecher 3Auch das Auswildern ist eine der Aufgaben, die sich die EGE zur Rettung der Eulen zum Ziel gesetzt hat. Stefan Brücher mit einem Junguhu in der Abenddämmerung. Foto: Sonia Weinberger Photografie

Stefan Brücher und die EGE

Schon als Junge hatten es Stefan Brücher die Eulen angetan. Steinkauze, die nach wie vor stark gefährdet sind, Schleiereulen - es war aber vor allem der Uhu, „vielleicht doch eine Berufung“, wie er meint. Der gebürtige Bonner ist familiär durchaus vorgeprägt. Sein zehn Jahre älterer Bruder ist ebenfalls begeisterter Ornithologe, er brachte den Jüngeren mit Vogelnistkästen und wohl auch der nötigen Sensibilität für den Vogelschutz in Kontakt.

Den entdeckte Stefan Brücher dann als Teenager vor allem auf seine Art. Mit Zwölf saß er schon in schwindelerregender Höhe am Rande eines Nestes und half beim Beringen junger Mäusebussarde. Mit 14 durfte er – mit behördlicher Erlaubnis - erstmals Greifvögel und Eulen selbst beringen.

Zusammen mit Wilhelm Bergerhausen, der Ende der 1970er Jahre die „Aktion zur Wiedereinbürgerung des Uhus“ (AzWU) gegründet hatte, wird er ins Thema eingeführt. 1990 ist Brücher mit Bergerhausen einer der Gründer der „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ (EGE), die er seit 2006 nach dem Tod Bergerhausens auch leitet. Brücher, 58 Jahre alt, hat dort mittlerweile eine Teilzeitstelle.

Finanziert wird die Arbeit des Vereins vor allem über Spendengelder. Die Uhu-Webcam an der Mittelahr ab 2008 unterstützte zunächst der SWR, bis heute die Brigitte und Dr. Konstanze Wegener Stiftung und andere Stiftungen.

Seit Mitte der 1990er Jahre setzt Brücher zunehmend das Uhu-Monitoring in der Eifel um, seit der Jahrtausendwende ist ein Schwerpunkt der Uhu-Artenschutz mit dem Einsatz für die Ummantelung von Strommasten und der systematischen Erfassung von Todesursachen von Uhus, etwa durch Stromschlag. Brücher arbeitet eng mit Naturschutzbehörden und Vogelwartstationen zusammen.

Um Nachwuchs für den Naturschutz zu gewinnen schrieb der Geschäftsführer der EGE, Wilhelm Breuer das Kinderbuch „Wo die Eule schläft“. Erhältlich auf der Internetseite der EGE: www.egeeulen.de (sli)
Interview: Stefan Lieser
Fotos: Stefan Lieser